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Die Geschichte von Jermabelle Westner

Ich erinnere mich an meinen ersten Traum als Fünfjährige, den ich schon längst begraben hatte. Noch heute, wenn ich meine Augen schließe, wird der damalige Traum in meinen Gedanken zur Realität:  Ich war in einem stillen Raum. Dies zum ersten Mal ohne meine Mutter, die sonst immer nachts neben mir schlief. Trotz der fehlenden Umarmung meiner Mutter, die mir dadurch ihre Mutterliebe zu Teil werden ließ, schlief ich tief und fest.  Träumend trat nun ein Schrank in meinen Fokus, den ich in der Vergangenheit jeden Tag mit meinen Wünschen und Visionen von einem besseren Leben mit bunten Bildern bemalte.  Als ich nichts ahnend den Schrank öffnete, traute ich meinen Augen nicht, denn ein riesiger Schatz aus Gold, Diamanten, Kristallen und den schönsten und kostbarsten Dingen der Welt, fiel zu meinen Füßen. Ich schrie vor Freude auf und tanzte wie verrückt. Ich fühlte mich endlich einmal wie ein richtiges Kind, das Kind sein durfte. Ich wachte auf und suchte meine Mutter, die nicht mehr neben mir lag.  Daraufhin rannte ich schnell zu ihr nach unten, um zu sagen, dass alles gut werde, wir reich seien und sie nun endlich leben könne - ohne Schmerzen, Angst und Not. Unten angekommen sah ich meine Mutter in einem schönen Kleid, leblos in einem weiß-goldenen Sarg aufgebahrt.
Obwohl ich ein sehr junges Mädchen war, wusste ich unbewusst sofort, dass meine Kindheit jetzt zu Ende war.

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Heute weiß ich, dass Dankbarkeit das Gegenteil von Angst ist. Damals fühlte ich mich jedoch alleine, von Gott verlassen und von den Menschen verraten. Umso schmerzhafter war mein Leiden in den philippinischen Slums, welche nun zu meiner Wahrheit, dem Beginn meines neuen Lebens, wurden...

 Unser Vater, der etwas Geld mit nach Hause brachte, verstarb fünf Jahre nach meiner Mutter an einer unheilbaren Krankheit.  Meine vier weiteren Geschwister und ich wurden dadurch zu Vollwaisen, die von nun  an auf sich alleine gestellt waren.  Alleine in der dunklen Nacht, ohne Eltern, vom Tod verfolgt und von Ratten umgeben, die größer waren als Katzen, lebte ich in den verdreckten und vom Chaos regierten Slums von Tatalon Quezon City, Manila.  Diese für mich wahr gewordene Hölle auf Erden, zwischen Obdachlosen, die Drogen nahmen und verwahrloste Kinder missbrauchten, peinigten und schändeten, war jetzt mein neues Zuhause.

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Meine drei Jahre ältere Schwester, die sich damals als Achtjährige nach Kräften um uns bemühte, übernahm die Mutterrolle, da unser älterer Bruder bereits sein Leben den  Slums in Manila übergab und mit sich und uns abgeschlossen hatte. So wie viele vergessene Kinder und Jugendliche war er frustriert und gehörte zu einer kriminellen Gang. Er spürte keine Liebe mehr und war dadurch gewalttätig geworden. Später hatten wir das Glück, dass unsere Tanten, die vielen schweren Hilfsjobs im Ausland nachgingen, uns mit Geldspenden unterstützen. Lediglich dadurch konnten wir Nahrung und Schulmaterial kaufen. Nur fünf Pesos (0,08€) täglich sicherten unser Überleben.  Anderen Kindern erging es jedoch noch schlechter, denn diese schnüffelten Rugby und fühlten sich dadurch den ganzen Tag satt, selbst wenn sie nur wenig oder sogar gar nichts zu essen hatten. Denn diese Droge ist billiger als Nahrung!
Körperliche wie seelische Misshandlungen, Hungersnot, Armut und Angst wurden zu meinen ständigen Begleitern und prägen mich bis heute. Ich weiß wie es ist, die Kindheit ohne Eltern in den Slums zu verbringen, viele Tage nichts zu essen, Gewalt erleben zu müssen und die unschönsten Dinge im Leben zu sehen, die ein Kind niemals erleben, sehen und erfahren sollte. Ich habe als kleines Mädchen die Welt von unten gesehen und bin durch das Feuer gegangen. Trotzdem machte ich das Beste daraus: Ich verkaufte meine improvisierten Spielsachen auf der Straße, sang zu dem Klang meiner selbstgemachten Instrumente aus Kronenkorken, zog in der Weihnachtszeit musizierend von Haus zu Haus. So brachte ich anderen Licht, Liebe und Freude, die mir selbst so fehlten, wenn ich nachts mit anderen Kindern im Mondschein tanzte und an eine glücklichere und unbeschwerte Kindheit dachte...
Mit elf Jahren wurde ich von einer Familie aus Schnaitsee in Oberbayern adoptiert. Nida, eine Schwester meiner verstorbenen Mutter und Gerhard Westner haben mir ein fürsorgliches neues Zuhause gegeben.

2018 begab ich mich auf die Suche nach mir selbst und machte eine unvergessliche und lehrreiche Reise nach Chile, Argentinien, Uruguay, Neuseeland und Japan mit den wunderschönsten Erlebnissen meines bisherigen Lebens. Die letzte Station meiner Reise war mein Ursprung - die Philippinen. Dort besuchte ich meine ältere Schwerster und ihre zwei  Kinder, die mittlerweile in etwas besseren Verhältnissen leben können. Entschlossen mich meiner Vergangenheit zu stellen, fasste ich all meinen Mut zusammen und besuchte die Slums, in denen ich geboren und aufgewachsen bin und wo das Unheil meiner Kindheit begann.
Die dortigen Umstände brachten mich sofort zu den Tiefen meiner Vergangenheit zurück, die ich nur mit meiner blühenden kindlichen Phantasie überleben konnte. Welche die Realität wegzauberte und mich stets in einer Traumwelt schützend umschloss. Die vergessenen Kinder in den Slums begrüßten mich fröhlich, rannten zu mir, umarmten mich und freuten sich über meinen Besuch. Sie fragten mich - in ihren schmutzigen Kleidern - woher ich käme und ich sagte zu Ihnen: "Ich komme aus Deutschland - ich bin aber eine von euch!"
Heute bin ich 24 Jahre alt und das Leben lehrt mich jeden Tag, um die Vergangenheit nach und nach verstehen zu können. Die direkte Konfrontation mit meiner Kindheit in den philippinischen Slums wurde zu meiner Vision Matulong-hilfreich.

                                                                                                               Jermabelle Westner, 2019

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Meine Lebensaufgabe ist es, den verborgenen Schatz aus meinem Traum, der meine Mutter und mich vor Armut, Schmerzen und aller Pein erlöste und zum Frieden in unsern Herzen führte, allen zu zeigen, die mutlos sind.

Ein Friede, der nur durch die Liebe, die kostbar wie ein Diamant ist, in unser Herz und in das Herz aller Menschen gelangen kann. 

Ein Prinzip für alle: Matulong-hilfreich, LOVE heals.

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